Verfasst von: aeropersredaktion | 04/01/2011

Weiss Herr Hohmeister, was er da anrichtet?

Swiss-Chef Hohmeister gehen wohl die sachlichen Argumente aus. In der Aargauer Zeitung greift er zur Rhetorik und greift sein Pilotenkorps persönlich und unter der Gürtellinie an. Recht hat er aber nicht. Die Argumente, die er braucht, führten sofort zu einem entsprechenden Kommentar auf unserer Facebook-Seite. Ein Pilot schrieb uns «Dieser Satz stört unheimlich: „Natürlich gibt es anstrengendere Einsätze, so wie bei jedem normalen Beruf auch. Vielleicht kommt ja die angebliche Übermüdung nicht nur vom Fliegen, sondern auch von anderen Beschäftigungen.“ Wie soll man von anderen Beschäftigungen müde werden, wenn man gar keine Zeit dazu hat … Aber einem Hobby sollte man doch nach gehen können. Oder will die Swiss alles asoziale Piloten?»

Worum geht es?

Es geht wieder einmal um die schlechten Arbeitsbedingungen der Swiss-Piloten, die dazu führen, dass es zu wenig Piloten gibt, so dass der bisherige Firmenerfolg und das zukünftige Wachstum auf unserem Buckel (wie auch des restlichen Personals) ausgetragen werden. Permanente Überstunden, Ferien, die erst sehr spät – wenn überhaupt – bewilligt werden, kurzfristige Noteinsätze, die man der Familie erklären muss, weil man wieder einmal eine gemeinsame Aktivität unerwartet absagen muss und dann manchmal tagelang von zuhause weg ist. Wir wollen nicht jammern. Wir wussten, welch anspruchsvollen Job wir uns aussuchten, als wir Piloten wurden. Wir wussten aber erstens nicht, dass unser Management uns in einer solchen Situation im Stich lassen würde. Denn der Personalmangel wird verschlimmert durch eine miese Einsatzplanung. Es wäre eigentlich Aufgabe des Managements, diesen Mangel zu beheben.

Aber wie das Interview in der Aargauer Zeitung bestätigt, scheint unser Management – zumindest unser CEO – überhaupt keine Ahnung von der Realität an der Kundenfront, bei der Fliegerei und im Hinblick auf Einsatzplanung zu haben. Wer sich so über sein Pilotenkorps äussert, ist entweder despektierlich und ignorant oder er zeugt von Unwissen. Von Unwissen über die Realität des Jobs im Alltag und vom Unwissen über die Konsequenzen solcher Äusserungen.

Herr Hohmeister sei daran erinnert: ohne Piloten keine Airline. Übermüdete und erschöpfe Manager mag eine Airline vertragen – die Qualität ihrer Entscheidungen lässt sowieso oft zu wünschen übrig – aber übermüdete und erschöpfte Piloten?

Wir hatten aber auch keine Ahnung davon, dass wir mit massiven Überstunden und nicht genommenen Ferien eine Airline zum Erfolg führen würden, deren Gewinne vor allem ins Ausland fliessen, während uns hier gesagt wird, man könne bessere Arbeitsbedingungen – Arbeitsbedingungen welche langfristig auch für die Sicherheit der Fliegerei entscheidend sind – nicht finanzieren.

Ein Management, das sich so benimmt, ist für uns kein zuverlässiger Verhandlungspartner. Und Zuverlässigkeit ist unser Motto.

In diesem Zusammenhang sind ausserdem noch zwei Meldungen besonders pikant, die gestern durch die Medien gingen. Während Hohmeister davon spricht, nun konsolidieren zu müssen, plant die Lufthansa, 4’000 neue Stellen zu schaffen. Und warum ist das pikant? – Weil ein Grossteil des Gewinns der Lufthansa durch die Swiss erwirtschaftet wird. Die Swiss ist die Perle des Lufthansa-Konzerns. Nur bleibt vom Geld fast nichts in der Schweiz.

Neben den Angriffen unter der Gürtellinie deuten Hohmeisters Äusserungen zudem auf ein mangelndes Verständnis von Sicherheitskultur. «Unsere Einsatzbedingungen sind weitaus besser, als dies das Gesetz zulässt», sagt Hohmeister. Da hat er Recht. Was er aber verschweigt, ist die Tatsache, dass der Abstand zum gesetzlichen Minimum in den letzten Jahren immer geringer wurde. Früher hatten wir mal gleiche Sicherheitsstandards wie die deutsche Lufthansa. Damit ist es längst vorbei. Und je näher wir ans gesetzliche Minimum kommen, desto ungemütlicher wird es für alle Beteiligten. Gesetzliche Limiten haben in der Regel nichts damit zu tun, was auf Dauer sinnvoll oder gar gesund ist. Dazu zwei Beispiele:

  • Die gesetzliche Limite für die Profiltiefe an PKW-Reifen ist 1.6 Millimeter. Kein vernünftiger Mensch fährt auf Dauer mit der minimalen gesetzlichen Profiltiefe. Es geht zwar eine Zeit lang, aber wollen wir wirklich die Sicherheit Hunderter Passagiere nur noch allein dem Zufall überlassen?
  • Die gesetzliche Limite für Blutalkohol ist 0.5 Promille. Trotzdem fährt kein vernünftiger Mensch dauernd mit 0.5 Promille Blutalkohol durch die Gegend.

Fazit: Der Deutsche Hohmeister benimmt sich wie der Elefant im Porzellanladen. Von unserer Politik des gut schweizerischen Kompromisses und des Konsenses hat er offensichtlich keine Ahnung. Wahrscheinlich interpretiert er es gar als Schwäche, dass wir in den Verhandlungen bisher den Anstand wahrten und rein sachlich blieben. Vielleicht braucht er die Verhandlungskultur der Schweiz aber auch gar nicht zu verstehen. Schliesslich bleiben Manager in der Regel nur kurze Zeit in einer Firma, in denen sie „ihre“ Firma auf höchste (kurzfristige) Profitabilität trimmen (meist zu Lasten der langfristigen Profitabilität oder Sicherheit) und dann ziehen sie weiter, wie die Heuschrecken. Wir Piloten hingegen bleiben unserer Airline, auf die wir weiterhin stolz sind, ca. 30 Jahre lang treu. Und deshalb werden wir uns in den kommenden Monaten mit Entschlossenheit und Energie für einen vernünftigen GAV einsetzen, für Arbeitsbedingungen, die nicht nur uns ein Familienleben ermöglichen, sondern vor allen auch die langfristige Sicherheit der Fliegerei in der Schweiz sicherstellen. So wie bisher darf es auf keinen Fall weitergehen. Auf uns kann man sich verlassen.


Antworten

  1. Es ist uns wirklich ernst: Wenn sich die deutsche Kultur nicht an gewissen schweizerischen Gepflogenheiten orientiert, werden wir uns halt an der deutschen Kultur orientieren. Wenn es so weit kommt, hat auch die Swiss Luftfahrtstiftung vollkommen versagt, denn deren Aufgabe wäre, sich für eine angemessene Berücksichtigung der Schweizer Interessen einzusetzen.

    http://www.luftfahrtstiftung.ch/

    Hat die CH-Wirtschaft resp. Politik seit dem Swissair Milliarden Skandal wirklich noch nichts gelernt?

  2. Ich denke das es sich hier weniger um typisch „schweizerisches“ Problem handelt als eines des Lufthansakonzerns.

    Auch in Deutschland werden Piloten aber auch insbesondere das Kabinenpersonal derzeit bis an die Grenzen von EU-OPS und Tarifvertrag ausgeflogen. Dies ist der ausdrückliche und erklärte Wille des LH-Managements.

    Dienstpläne mit dem gesetzlichen Minimum an freien Tagen und den maximal zulässigen Stunden sind Standard, die Planstabilität rangiert auf historischem Tiefstand, Durchschnitt sind ca. 5 Planänderungen im Monat; es gibt Kollegen da sind es auch schonmal 10.

    Die Serviceabteilungen für das fliegende Personal wie z.B. Einsatzplanverwaltung bzw. Besatzungseinsatz sind dramatisch gekürzt worden, so dass diese unter normalen Umständen schwer bis gar nicht erreichbar sind bei kleinsten Unregelmässigkeiten gar nicht mehr.

    Der ein oder andere kann sich aus dem Forderungspaket der UFO für die aktuelle Tarifverhandlung das sicherlich nur die Spitze des Eisbergs abbildet ein eigenes Bild machen: http://www.ufo-online.com/flugbegleiter/index.php?view=article&catid=34%3ALufthansa&id=236%3ATarifforderung+der+UFO+in+der+Tarifrunde+2010+für+das+Lufthansa+Kabinenpersonal&option=com_content&Itemid=53

    Insofern würde ich an euer Stelle evtl. versuchen weniger Stammtisch zu machen (die Deutschen wollen uns doch nur abzocken) sondern ganz konkret Ross und Reiter nennen und vielleicht auch mal über die Landesgrenze hinweg aber konzernintern Unterstützung und Abstimmung suchen. Hier geht es nicht um Nationalitäten sondern einen Trend im Konzern.

    Schönen Gruß und viel Erfolg das es bei euch bald besser wird.

  3. […] die Nächte mit uns gemeinsam durchmachen. Ich glaube, dann wüsste er, was wir Piloten meinen und Aeropers treffend formuliert hat! Wie dem auch sei, ich denke, dass ein intelligenter und weitsichtiger Mensch wie Harry […]

  4. […] dauernd mit 0.5 Promille Blutalkohol durch die Gegend." Hier der vollständige Blogeintrag: Weiss Herr Hohmeister, was er da anrichtet? […]

  5. Es ist schon krass, vor 30 Jahren war der Job noch der Traumjob mit den tollsten Arbeitsbedingungen und besten Gehälter. Heute ist es vor allem am Anfang knallhart. Niedriger Einstiegslohn und ein Schuldenberg, dazu schlechte Arbeitsbedingungen. Schon nicht mehr das Wahre…
    Trotzdem: Ich werde es trotz allem versuchen bei der Swiss, es ist und bleibt für mich der Traumjob und ich will nichts anderes machen.
    Hoffen wir, dass die Verhandlungen positiv verlaufen werden und ein guter GAV ausgehandelt werden kann.

    Gruss

    Roman

    • Das geht uns allen ähnlich. Es sind ein Job und eine Airline, auf die wir stolz sind, und wir werden alles in unserer Macht stehende tun, Arbeitsbedingungen durchzusetzen, die den Job auch langfristig machbar machen.


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