Verfasst von: aeropersredaktion | 21/01/2011

Ich bin auch ein Lokführer?

Es ist zwar schon eine Weile her, aber wir möchten nun doch noch Stellung nehmen zu einem Bericht, der in der  «Sonntag» am 9. Januar erschienen ist. Im Bericht mit dem Titel «ICH BIN AUCH EIN LOKFÜHRER» wird uns fremdenfeindlicher Unterton vorgeworfen, weil wir darauf aufmerksam machen, dass in den GAV-Verhandlungen durchaus auch kulturelle Unterschiede zwischen dem deutschen Management und den Schweizer Piloten eine Rolle spielen. So legen «die Deutschen» unsere Politik des gut schweizerischen Kompromisses und des Konsenses oft als Schwäche aus. Mit einem scheinbar schwachen Partner verhandelt man aber ganz anders als mit einem gleich starken Partner. Das sollte eigentlich auch den Journalisten der Sonntag klar sein, und so ist es für uns nicht nachvollziehbar, warum eine realistische Anerkennung der kulturellen Unterschiede auf einmal fremdenfeindlich sein soll.

Wie unbegründet diese Unterstellung ist, zeigt sich darin, dass wir die Warnungen vor der deutschen Gangart  vor allem  von deutschen Kollegen erhalten haben. Wir sind auch mit den Lufthansakollegen im Kontakt, welche das knallharte Vorgehen gegen die Piloten sehr gut kennen. Gegenüber der Öffentlichkeit wird ein wenig Verständnis signalisiert, aber im Umgang mir den Arbeitnehmern gibt es vom Swiss-Management Null Entgegenkommen. Bei allen vergangenen Verhandlungen mit dem Personal und den Lieferanten hatte Swiss bisher Erfolg mit dieser Taktik des «Aushockens». Unter diesen Voraussetzungen kann jetzt nicht mehr von beiderseitigem Aufeinanderzugehen ausgegangen werden.

Ein weiteres Thema für den Sonntag ist die ständige Überarbeitung, die auf Dauer nicht ertragbar und aus Sicherheitsgründen auf Dauer auch nicht verantwortbar ist. Vor einer Woche spekulierte  unser CEO Harry Hohmeister : «Vielleicht kommt ja die angebliche Übermüdung nicht nur vom Fliegen, sondern auch von anderen Beschäftigungen.» Der Sonntag doppelte nach und stellte die Sache so dar, wie wenn unsere Piloten wegen Nebenbeschäftigungen, also Zusatzjobs, überarbeitet wären. Die Zahl der Nebenbeschäftigungen hat jedoch gar nicht zu genommen. Es hat sie schon immer in diesem Rahmen gegeben. Zugenommen hat jedoch die Zahl der Teilzeitpiloten, um die Arbeitsbelastung überhaupt zu ertragen. Wenn in der frei gewordenen Zeit andere Tätigkeiten ausgeübt werden, sei daran erinnert, dass Erholungszeit nicht einfach nur Ruhezeit bedeutet, sondern auch einer ausgeglichene Psyche dienen soll, indem auch Sozialleben, Hobby und anderen Interessen nachgegangen werden kann. Nicht alle sind auf Dauer glückliche „Workoholics“. Sicher sind auch Journalisten froh, wenn der Pilot nicht übermüdet ist, falls sie irgendwann mal wieder als Passagier in ein Flugzeug steigen

Nicht übermüdet war offenbar der im Artikel erwähnte Pilot. Im Sonntag steht zwar  «Wie dem Online-Lebenslauf des enervierten Piloten zu entnehmen ist, fliegt dieser seit 2007 für die Swiss und hat in derselben Zeit noch eine Jus-Disseration an der Universität St. Gallen geschrieben. » Der angeführte Pilot wurde, wie alle anderen auch, nach dem Grounding der Swissair entlassen. Das Grounding übrigens– und das sei hier doch wieder einmal erwähnt – war unbestritten nicht durch die Piloten, sondern durch das Management verursacht.  Im  Online-Lebenslauf des besagten Piloten steht dagegen: «2004-2005 Universität St. Gallen (HSG): Ausarbeitung der Dissertation (Gesellschaftsrecht) und Assistent am Lehrstuhl Prof. Roberto», mit anderen Worten, die Dissertation wurde NICHT «in derselben Zeit» geschrieben. Das lässt sich sicher auch nachprüfen. Der Seitenhieb im Sonntag auf diese Diss ist also nicht stichhaltig.

Und was ist mit dem gross in der Schlagzeile angeführten Lokführer? Wir konnten keinen Kollegen ausfindig machen, der im Nebenberuf noch als Lokführer tätig ist. Wir vermuten, dass es sich um einen Piloten bei einer anderen, kleineren Fluggesellschaft handeln könnte .


Antworten

  1. […] von Swiss-Piloten, die Nebenjobs haben, aufgezählt. Bei meiner täglichen Bloglektüre des Pilots Of Swiss Blogs habe ich erfahren, dass im Artikel auch ich bzw. mein Blog (wenn auch anonym) erwähnt wird. Dies […]

  2. Stimmt der verlinkte Online-Lebenslauf? 2-3 Jahre Abstand zwischen Schreiben und Veröffentlichung einer Dissertation sind ja doch ungewöhnlich.

    • Marius: Ja, der Lebenslauf stimmt. Immerhin fragst du nach und fragen (wenn auch mit Unterton) ist erlaubt bzw. bei Zweifel erwünscht. Der Journalist des Beitrages hat das leider unterlassen, was ich bedaure. Im Übrigen kenne ich Leute, die drei Jahre benötigten, bis sie die Vorstudie ihrer Dissertation abgegeben haben, solche, welche sie nach mehreren Jahren unfertig begruben, aber auch solche, die sie innert 8 Monaten beendet haben… Mehr dazu später als Antwort in meinem Blog, wo du ja auch einen Kommentar hinterlassen hast.


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