Verfasst von: aeropersredaktion | 27/10/2018

Verbotene Fracht – Schmuggel in der Fliegerei

Zigaretten, Drogen, Alkohol oder gleich ganze Braunbären: in Flugzeugen wird eine Menge geschmuggelt. Daran beteiligen sich nicht nur Passagiere und Bodenpersonal, sondern mitunter auch Piloten und Flugbegleiter.

bärenkopf

«Es gibt nichts, das es nicht gibt». Schmuggel eines Bärenkopfs, der
vom Schweizer Zoll gefunden wurde.

Text: Patrick Herr

Al Capone, der wohl berühmteste Gangster der amerikanischen Geschichte hat einmal gesagt: «Du kannst keine legalen Steuern auf illegales Geld erheben». Wie wenig seine Meinung von den zuständigen Gerichten geteilt wurde, zeigte seine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu elf Jahren Gefängnis. Und doch steckt in seinen Worten eine Wahrheit, die Behörden in aller Welt beschäftigt. Der Schmuggel von Drogen, Waren und Menschen generiert Jahr für Jahr Umsätze im dreistelligen Milliardenbereich. Während Drogen- und Menschenhandel viel Leid verursachen, entgehen den betroffenen Staaten durch Warenschmuggel auch Milliarden an Steuereinnahmen. Allein durch den Zigarettenschmuggel EU jährlich geschätzt über zehn Milliarden Euro. Wie viel Schaden durch andere Produkte entsteht, ist nur sehr schwer zu schätzen. Schmuggel ist so alt wie die Idee der Steuererhebung selbst und hat mehrere Ursachen. Ist ein Produkt in einem Land nicht oder nur sehr schwer zu bekommen, suchen sich die Kunden andere, manchmal illegale Quellen im Ausland. Ähnlich ist es, wenn ein Produkt durch eine Steuer oder einen Einfuhrzoll zu teuer wird. Generell gilt: je dringender ein Produkt nachgefragt wird, desto stärker floriert der Schmuggel. Das gilt selbstredend vor allem bei Suchtmitteln. Während der Prohibition in den Vereinigten Staaten waren es Männer wie William McCoy, die die lukrative Lücke in der Versorgung mit Alkohol zu füllen versuchten. Mit Schiffen wurden Rum aus der Karibik und Whisky aus Kanada an der Küstenwache vorbei ins Land geschmuggelt und äusserst gewinnbringend weiterverkauft. Syndikate wie jenes von Al Capone übernahmen dann die landesweite Verteilung und den Verkauf an den Endkunden.

Passagiere schmuggeln…

Die Bedeutung der Luftfahrt für den Transport von Schmuggelgütern wächst stetig, insbesondere beim Transport kleiner Waren und kleinen Mengen. Besonders illegale Drogen sind im Gepäck oder im Körper vergleichsweise leicht zu verstecken. Die Kontrollen sind zwar streng und das Entdeckungsrisiko für die Kuriere hoch. Doch Armut treibt viele Menschen an, es trotzdem zu versuchen. Für die Produzenten lohnt sich das Geschäft allemal, auch wenn eine Sendung abgefangen wird. Auch Drogenkartelle denken ökonomisch, daher darf man annehmen, dass einzelne Ausfälle einkalkuliert sind. Wenn Passagiere schmuggeln, tun sie es meist im kleinen Stil. Letztes Jahr wurde in Zürich ein Passagier von Flug LX93 aus Sao Paulo aufgegriffen. Der junge Brasilianer hatte 80 kleine Päckchen Kokain mit einer Gesamtmenge von etwa 800 Gramm geschluckt. Das Risiko für den Kurier ist enorm. Ein geplatztes Päckchen bedeutet fast immer den sicheren Tod. Für dieses Risiko erhielt der Mann vom Drogenkartell umgerechnet 4200 Franken. Doch es geht natürlich auch grösser. Am Frankfurter Flughafen etwa fiel den Zöllnern eine Passagierin aus Brasilien auf. Ihre Jeanshose wirkte seltsam steif. Bei näherem Hinsehen stellte sich schliesslich heraus, dass die Hose mit verflüssigtem Kokain imprägniert war – im Wert von 400 000 Euro.

…und Besatzungen leider auch

Aber auch auf der anderen Seite der Cockpittür geschmuggelt. Bei Alitalia wurde 2007 ein Pilot mit zwei Kilogramm Kokain im Gepäck erwischt. Dummerweise hatte er sich selbst vor dem Flug etwas davon genehmigt und war dadurch aufgefallen. Prominentestes Beispiel unter den schmuggelnden Piloten ist Barry Seal, dessen Treiben kürzlich verfilmt wurde («Barry Seal: Only in America», 2017, mit Tom Cruise in der Hauptrolle). Der mit 20 Jahren seinerzeit weltweit jüngste Boeing 707 Pilot stieg in kurzer Zeit zu einem der grössten Drogenschmuggler der US-Geschichte auf. Zwischen 1975 und 1983 transportierte er mit einer ganzen Flotte privater Transportmaschinen Kokain aus Südamerika in die USA. Die Staatsanwaltschaft schätzte den Wert seiner geschmuggelten Drogen auf unglaubliche drei bis fünf Milliarden Dollar. Die Partnerschaft mit dem Medellin-Kartell und dessen Boss Pablo Escobar machten Seal zu einem sagenhaft reichen Mann. Dies blieb natürlich nicht unbemerkt. Das Finanzamt verlangte Auskünfte, sein Treiben flog auf und er konnte sich nur durch den Einsatz als Spitzel für die CIA vorläufig aus der Affäre ziehen. 1986 wurde er auf offener Strasse von einem kolumbianischen Killerkommando hingerichtet. Doch auch wenn man nicht selbst Pilot ist, kann man sich den Pilotenstatus zu Nutze machen. Das demonstrierten zwei besonders kreative Kuriere in Madrid. Sie besorgten sich Pilotenuniformen und Hüte und taten so, als ob sie zur Crew gehörten. Am Abflugort in Bolivien fiel das scheinbar niemandem auf und man hielt sie für einen Teil der Crew. Erst in Madrid wurden die beiden richtig kontrolliert. In ihrem Handgepäck wurden schliesslich 55 Kilogramm Kokain sichergestellt.

Crew-Gepäck wird seltener kontrolliert

Auch die bevorzugte Behandlung von Crewgepäck wird gerne zur Beförderung von Drogen missbraucht. Auf einem Condor-Flug von Jamaika wurden einige Koffer mit den passenden Labeln versehen und unter das Crewgepäck gemischt. Die optisch perfekt zum Crewgepäck passenden Koffer sollten dann in Frankfurt von drei Mittelsmännern übernommen werden. Sie arbeiteten als Crewbus-Fahrer am Frankfurter Flughafen. Die drei wurden erwischt, als sie das falsche Crewgepäck in Empfang nehmen wollten. In den Koffern waren sechs Kilogramm Kokain versteckt. Aber es müssen nicht immer gleich Drogen sein. In Frankfurt wurden vier Flugbegleiter von Lufthansa dabei erwischt, wie sie im grossen Stil Schrott-Münzen schmuggelten. Alte Ein- und Zwei-Euro Münzen werden nämlich in ihre Einzelteile zerlegt und getrennt als Altmetall verkauft. Eine Bande in China hatte sich darauf spezialisiert, die Teile einfach wieder zusammenzusetzen. Mit Hilfe der vier Flight Attendants schmuggelten sie über drei Jahre hinweg die gewaltige Masse von knapp 20 Tonnen alter Münzen zurück nach Deutschland. Das schadhafte Geld wechselten sie bei der Europäischen Zentralbank in frische Scheine um. Der entstandene Schaden wird auf etwa 20 Millionen Euro geschätzt. . In Neu-Delhi versuchte eine Flugbegleiterin von JetAirways daher, eine Brotzeit der besonderen Art am Zoll vorbei zu schmuggeln. Getarnt als in Alufolie gewickelte Butterbrote, fanden die Zöllner Dollarnoten im Wert von 480 000 Dollar. Die Frau steht im Verdacht, Teil eines international agierenden Geldwäscherings zu sein. Die Fälle offenbaren eine Schwachstelle im System, die von Schmugglern oft und gerne ausgenutzt wird: Flugpersonal und Crewgepäck werden offenbar vielerorts schlichtweg nicht genügend genau kontrolliert. Für Crewgepäck gelten zudem praktisch keine Grössen- und Gewichtsbeschränkungen. Ausserdem ist fliegendes Personal per se viel unterwegs, daher fallen ungewöhnliche Reiseziele oder häufige Flüge zu bestimmten Zielen nicht weiter auf.

Die Schweiz als Schmuggelziel

Auch der Flughafen Zürich ist ein Drehkreuz für den Vertrieb illegaler Waren aller Art. Täglich zieht das Grenzwachtkorps etwa fünf Kilogramm Drogen aus dem Verkehr. Zürich und die Schweiz sind generell ein lohnendes Ziel für Schmuggler. Hohe Einkommen und damit eine hohe Kaufkraft sind ein guter Nährboden für den Kauf und Schmuggel illegaler Waren. Der beste Beweis: in Europa liegt Zürich auf Platz drei beim Kokainkonsum. Das hat eine europaweit durchgeführte Abwasseruntersuchung ergeben. Unter den Top Ten befinden sich ausserdem noch Genf, Basel und St. Gallen. Bei Reisenden aus Ländern wie China, Thailand oder der Türkei halten die Zöllner insbesondere nach gefälschten Markenartikeln Ausschau. Im vergangenen Jahr konnte die Eidgenössische Zollverwaltung 1633 Produkte im Gesamtwert von etwa 15 Millionen Franken aus dem Verkehr ziehen. Der Trend hier ist indes stark rückläufig. 2016 war es noch fast die doppelte Menge. Ob dies tatsächlich auf einen Rückgang der Delikte oder auf raffiniertere Fälschungen zurück zu führen ist, bleibt unklar. Crews gelten beim Grenzwachtkorps im Allgemeinen als kooperativ und recht pflegeleicht, sagt ein leitender Mitarbeiter des Grenzwachtkorps am Flughafen Zürich. Und doch gibt es auch hier immer wieder Fälle von Schmuggel. So wurde auf einen anonymen Hinweis hin ein gewerbsmässiger Zigarettenschmuggel aufgedeckt. Flight Attendants hatten sich im Ausland mit grossen Mengen günstiger Zigaretten eingedeckt und diese dann in der Schweiz über eine Online-Plattform weiterverkauft. Auch wenn Verdacht auf Alkohol- oder Drogeneinfluss besteht, greift das GWK ein. In Zürich wurde ein verhaltensauffälliger Flugbegleiter aufgegriffen. Ein Test ergab, dass er unter Drogeneinfluss stand. In seinem Gepäck fand sich unter anderem eine Crack-Pfeife. Der Fall wurde ans BAZL weitergeleitet und der betroffene Flugbegleiter entlassen. Grundsätzlich findet allerdings kein Datenaustausch zwischen GWK und den Arbeitgebern der betroffenen Crews statt. Erst wenn tatsächlich ein Verfahren eröffnet wird, wird unter Umständen auch der Arbeitgeber informiert. Die Folgen sind drastisch: auch bei der SWISS droht in diesem Fall die Kündigung.

Von Schlangen und Bären

Hin und wieder gibt es aber auch bei der Grenzwache Grund zum Schmunzeln. Etwa dann, wenn ein Kapitän dadurch auffällt, dass Wasser aus seiner Hose tropft. Bei näherer Betrachtung war die Ursache schnell gefunden: das noch halb gefrorene südafrikanische Rinderfilet, das er sich ans Bein gebunden hatte. Ein Rundgang durch die Asservatenkammer am Flughafen Zürich offenbart das ganze Ausmass der Absurditäten an Schmuggelwaren. Neben vergleichsweise harmlosen Gegenständen wie gefälschten Ausweisen und Nummernschildern finden sich hier ganze Elefantenstosszähne, Krokodilköpfe, Schusswaffen und raffinierte Drogenverstecke aller Art. Ein Mitarbeiter der GWK formuliert es prägnant: «Es gibt nichts, das es nicht gibt». Mit Blick auf den Ganzkörperanzug aus Schlangenhaut in der Ausstellung, kann man dem nur zustimmen. Erst im vergangen Jahr ging den Zöllnern ein besonders absurder Fang ins Netz. In einer Kiste, deklariert als Maschinenteile, entdeckten sie zwei ausgestopfte Braunbären. Recht beliebt ist der Schmuggel von Zigaretten in die Schweiz. Die Sache lohnt sich: in der Schweiz kostet eine Schachtel Zigaretten 8,50 Franken. In Osteuropa hingegen ist ein Päckchen bereits ab etwa zwei Franken zu bekommen. Und das sind nur die offiziellen und besteuerten Preise. Hinzu kommen noch illegal produzierte Zigaretten, die etwa in Polen bereits ab zwei Euro pro Päckchen zu kaufen sind. Ein Pärchen aus der Ukraine wollte sich diese saftige Gewinnmarge nicht entgehen lassen. Der Zürcher Zoll erwischte die beiden allerdings bei der Einreise – sie hatten zusammen 1788 Päckchen Zigaretten im Gepäck.

Und die Moral von der Geschicht’ …

Wer mit unerlaubten Waren erwischt wird, muss mitunter mit einem schmerzhaften Bussgeld oder sogar einer Freiheitsstrafe rechnen. Mindestens die geschuldete Abgabe ist fällig, dazu kommt noch ein Bussgeld je nach Schwere des Vergehens. Bei heftigeren Verstössen wie Drogen- oder Waffenschmuggel und auch bei Wiederholungsfällen droht eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren. Dazu kommt dann meist noch eine weitere Haftstrafe, etwa für Drogenhandel oder illegalen Waffenbesitz. Wirklich drastische Fälle unter den Besatzungen von SWISS und Edelweiss sind laut Zollverwaltung nicht bekannt. Es komme aber immer wieder zu unabsichtlichen Delikten, weil etwa Freimengen oder Einfuhrverbote nicht bekannt seien. Gerade die Freimengen ändern sich hin und wieder. Die derzeit gültigen Freimengen zeigt unsere Tabelle. Seit kurzem bietet die Zollverwaltung zudem die kostenlose App «Quickzoll» für Smartphones an. Die App zeigt die aktuell gültigen Freimengen und Einfuhrverbote. Ausserdem können Waren direkt angemeldet und allfällige Zollabgaben bezahlt werden. Gut zu wissen ist auch, dass tierische Erzeugnisse aus Nicht- EU-Staaten und Norwegen mit wenigen Ausnahmen generell nicht eingeführt werden dürfen. Darunter fällt dann leider auch das Rindsfilet aus Johannesburg…

Freimenge
Fleisch und Fleischzubereitungen 1 Kilogramm
Alkoholische Getränke bis 18 % Vol. 5 Liter
Alkoholische Getränke über 18 % Vol. 1 Liter
Zigaretten/Zigarren und andere Tabakerzeugnisse 250 Stück bzw. Gramm

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