Verfasst von: aeropersredaktion | 19/09/2020

Zu wenig Arbeit für zu viele Mitarbeiter

Die letzten Jahre waren in der Luftfahrtbranche von grossem Wachstum geprägt. Viele Flug-gesellschaften und Flugzeughersteller sprachen von einem anstehenden Pilotenmangel. Durch die Corona-Pandemie hat sich dies komplett geändert. Die Fluggesellschaften gehen mit der neuen Situation bisher sehr unterschiedlich um.

Text: Dominik Haug

Die Luftfahrt wuchs und wuchs. Selbst die Anschläge vom 11. September 2001 oder die Finanzkrise 2008 konnten dieses Wachstum nur kurzzeitig und in geringem Ausmass bremsen. Alle Fluggesellschaften gingen von einem weiterhin steigenden Bedarf an Piloten aus. Manche Gesellschaften und Flugzeughersteller sprachen sogar von einem bevorstehenden Pilotenmangel – insbesondere in den USA und in Ostasien. Auch die «Rundschau» berichtete in der Ausgabe 03/2018 über dieses Thema.

Durch die Corona-Pandemie ist der Flugverkehr auf der ganzen Welt in noch nie da gewesenem Ausmass zusammengebrochen und teilweise gar zum Erliegen gekommen. Kaum eine Fluggesellschaft mit interkontinentalem Flugverkehr kann diese Krise ohne staatliche Unterstützung oder Garantien überleben. Wirtschaftswissenschaftler gehen bekanntermassen davon aus, dass die Wirtschaftskrise, die auf die Pandemie folgen wird, bis mindestens 2023 deutliche Folgen hinterlässt. Selbst danach rechnet die Branche noch mit einer geringeren Nachfrage als im Jahr 2019. Nach manchen Einschätzungen wird das Vor-Corona-Niveau erst im Jahr 2026 erreicht werden. Aufgrund dieser Wirtschaftskrise und dem längerfristig stagnierenden Wachstum werden viele Fluggesellschaften nicht nur während der Pandemie ein Personalproblem haben. Die Fluggesellschaften gehen damit sehr unterschiedlich um. Nur teilweise ist dies den politischen Rahmenbedingungen geschuldet.

Die Entwicklung in der aktuellen Krise ist sehr schnell und täglich kommen neue Meldungen hinzu. Die nachfolgende Auflistung entspricht daher dem Stand des Redaktionsschlusses am 17. August. Sie soll dabei nur einen Ausschnitt der momentanen Situation zeigen.

Die Kurzarbeitsvereinbarung bei SWISS und Edelweiss ist den meisten Lesern bestens bekannt. Dieser Artikel konzentriert sich daher auf die Situation bei anderen Fluggesellschaften.

SAS – Scandinavian Airlines

Von den ungefähr 11 000 Mitarbeitern vor der COVID-19-Pandemie wurde die Mehrheit im Frühjahr bezahlt nach Hause geschickt. Durch die unterschiedlichen Stationierungen in Dänemark, Schweden und Norwegen gibt es kleine Unterschiede in den genauen Modalitäten. In Dänemark beispielsweise wurde 85 Prozent des Salärs ohne Pensionszahlungen bezahlt. Im Gegensatz zu den Angestellten der klassischen SAS wurden die Mitarbeiter der neueren SAS Ireland (SAIL) ohne Bezahlung freigestellt. Seit dem Streik im Jahr 2019 ist das Verhältnis zwischen Piloten und Management nicht mehr das beste. Die Kommunikation in der aktuellen Krise ist jedoch gut.

In Dänemark wird seit Juli wieder das volle Salär ausbezahlt und auch wieder 100 Prozent gearbeitet. China und Hongkong werden mit Cargoflügen ohne Layover bedient. Dafür werden sieben Piloten – drei für den Hinflug und vier für den Rückflug – eingesetzt.

In Schweden liegt die Arbeitsbelastung bei nur 40 Prozent. Mit der Unterstützung durch die schwedische Regierung erhalten die Angestellten 90 Prozent des Lohns ausbezahlt. In Norwegen sind die Langstreckenpiloten noch zu Hause. Ihr Salär beschränkt sich auf die staatliche Unterstützung. Am Tiefpunkt der Produktion in Norwegen waren nur noch sieben B737 für Inlandflüge in Betrieb. Mittlerweile werden wieder 15 dieser Flugzeuge betrieben.

Momentan gibt es noch keine konkreten Veränderungen in den Arbeitsbedingungen. SAS möchte die Kosten längerfristig um 25 Prozent senken. Der Ramp-up gestaltet sich langsamer als erwartet. Momentan werden mit drei A330 nur Newark, Chicago und San Francisco angeflogen. Auf der Kurzstrecke werden rund 50 Prozent der ursprünglich geplanten Flüge angeboten.

Nach Angaben des Managements sind 650 Piloten zu viel bei SAS angestellt. Durch Frühpensionierungen zum 1. Juli konnten 100 Stellen gesichert werden. Die verbleibenden 550 überzähligen Piloten haben ihre Kündigung erhalten und die dienstjüngsten Mitarbeiter sind bereits seit dem 1. August nicht mehr bei SAS angestellt. Rund 75 Kurzstreckenkapitäne werden an jeder der drei Basen wieder als First Officers angestellt werden.

Durch den Betrieb der SAS Ireland (SAIL) ist das Verhältnis zwischen Management und Piloten beschädigt. Die neuen Pläne des Managements, ein weiteres AOC für Kurzstreckenflüge mit 100 bis 150 Passagieren zu gründen, sorgt für weiteres Misstrauen. Die Gewerkschaften haben neue Teilzeitvereinbarungen vorgelegt, um einen Grossteil der Kündigungen zu verhindern. Diese wurden vom Management aber abgelehnt, da sie an die Aufgabe der Pläne des neuen Kurzstrecken-AOCs geknüpft waren.

Icelandair

Mitte Juli wurde bekannt, dass Icelandair sämtliche Kabinenmitarbeiter entlassen hat. Die Fluggesellschaft tat dies, da die Verhandlungen mit den Vertretern der Kabinenmitarbeitern nicht erfolgreich verlaufen waren. Vorübergehend sollten die Piloten die Tätigkeiten der Kabinenbesatzung übernehmen. Ende Juli konnten sich die Parteien dennoch auf einen neuen Vertrag einigen.

British Airways

Auch die grösste britische Fluggesellschaft musste den Grossteil der Flotte auf den Boden stellen: Alle A380, alle Boeing 747, alle Flugzeuge in London Gatwick und einen Grossteil der A320 und Boeing 777 in London Heathrow. Mitte Juli wurde auch bekannt, dass British Airways ihre Boeing 747-400-Flotte mit sofortiger Wirkung stilllegt. Über den Fortbestand der A380 und der Kurzstreckenoperation von London Gatwick aus gibt es bisher nur Gerüchte. Die Kommunikation zwischen der Fluggesellschaft und ihren Arbeitnehmern war sehr mangelhaft. Es wurde nur über die Arbeitnehmervertretung BALPA (British Airline Pilots Association) kommuniziert. Weitere Informationen erhielten die Mitarbeiter über die Medien. British Airways möchte ohne staatliche Unterstützung durch die Krise kommen. Damit dies gelingen kann, ist ein umfangreiches Sparpaket notwendig. Zu Beginn der Krise wurde eine unbezahlte Freistellung von acht Wochen über einen Zeitraum von drei Monaten vereinbart. Auch bei den Flight Time Limitations gibt es Ausnahmen. So wird mit sieben Piloten nach Peking, Shanghai und an vergleichbare Destinationen geflogen. Diese Flüge finden auf freiwilliger Basis statt. Zur weiteren Kostensenkung wurden bei der Regionaltochter Cityflyer erste Basen geschlossen. Den Piloten des Unternehmens wurde ein neuer Arbeitsvertrag mit schlechteren Konditionen vorgelegt. Die Fluggesellschaft hat mit der Kündigung sämtlicher Piloten gedroht, falls die neuen Anstellungsbedingungen abgelehnt würden. Ausserdem wurde in Aussicht gestellt, dass keine geringe Anzahl an Piloten ohne Chance auf Wiedereinstellung entlassen würden. Diese Drohungen veranlassten die Gewerkschaft dazu, auf die Forderung der Fluggesellschaft einzugehen und die neuen Bedingungen zu akzeptieren. Dadurch konnten die Kündigungen massiv reduziert werden. Die neuen Arbeitsbedingungen sind sehr komplex. Bisher akzeptiert wurde eine langfristige Gehaltskürzung von acht Prozent. Über den Zeitraum von zwei Jahren gibt es eine temporäre Gehaltskürzung in gleicher Höhe. Diese temporäre Gehaltskürzung wird dann schrittweise verringert, da die Anzahl überzähliger Mitarbeiter sinken wird. Ausserdem wurden Teilzeitmöglichkeiten und freiwillige Kündigungen angeboten. Bei den Kündigungen liegt die Entschädigung bei lediglich zehn Prozent über dem gesetzlichen Minimum. Momentan hat die Fluggesellschaft ungefähr 300 Piloten, die zwar nicht entlassen sind, aber auch keine Möglichkeit haben, ihre Arbeit auszuüben. Dies betrifft Kapitäne und First Officers. Diesen 300 Piloten – hauptsächlich auf der A320-, der A380- und der B747-Flotte – wird ein reduzierter Lohn ausbezahlt. Die Finanzierung dieser 300 Piloten erfolgt durch die temporäre Gehaltsreduktion der übrigen Piloten. Eine Wiedereinstellung aus dieser Gruppe erfolgt nach Seniorität. Falls nach dem Ablauf von zwei Jahren noch nicht alle 300 Piloten wiedereingestellt sind, wird es einen neuen Plan geben müssen. Piloten auf den effizienteren Flotten A350 und B787 sind vor Entlassung sicher. Ansonsten wird der mögliche Stellenabbau aufgrund disziplinarischen oder leistungsabhängigen Gründen vorgenommen, danach nach der Senioritätsliste. Über einen Zeitraum von drei Jahren haben die entlassenen Piloten das Anrecht vor neuen Piloten wiedereingestellt zu werden. Die gute Vertretung der British Airways-Piloten durch BALPA hilft in der aktuellen Krise nicht viel. Der Gewerkschaft sind durch das wenig sozialpartnerschaftliche Verhalten der Fluggesellschaft die Hände gebunden.

In den letzten Monaten war die Stimmung bei British Airways erwartungsgemäss schlecht. Seit dem Pilotenstreik letzten September waren die Gewerkschaft und die Fluggesellschaft darum bemüht, das Verhältnis wieder zu verbessern. Das ist durch die Corona-Pandemie hinfällig geworden. Die lückenhafte und pessimistische Kommunikation hilft nicht, die Stimmung in der Belegschaft zu verbessern.

Um mehr Geldmittel zu generieren, plant die Fluggesellschaft Teile ihres Kunstinventars zu verkaufen. Die Airline soll schon Kontakt zum Auktionshaus Sotheby’s aufgenommen haben. Die Sammlung umfasst über 1500 Kunstobjekte aus der Geschichte der Airline, wovon rund zehn zum Verkauf stehen sollen – jedes mit einem Wert von rund einer Million britischer Pfund.

Air France KLM

Auch die grösste französische Fluggesellschaft erhält staatliche Unterstützung. Die Hilfe besteht aus einem Bankkredit von vier Milliarden Euro und einem Kredit von der Regierung über weitere drei Milliarden Euro. Als Bedingung für diesen Kredit muss die Fluggesellschaft bestimmte Rentabilitätsziele erfüllen und den CO2-Ausstoss senken.

Der niederländische Staat ist mit 14 Prozent an der Fluggesellschaft KLM beteiligt. Die staatliche Unterstützung in Form von Staats- und Bankkrediten beläuft sich bei KLM auf 3,4 Milliarden Euro.

Air France ist durch den strikteren Lockdown in Frankreich stärker als KLM getroffen. Die Fluggesellschaft versucht hauptsächlich durch Pensionierungen, einen Einstellungsstopp und freiwillige Kündigungen die Krise zu überstehen.

Easyjet

Im Frühjahr stand die komplette Flotte von Easyjet am Boden. Im gesamten Konzern steht rund ein Drittel der Arbeitsplätze auf der Kippe. Easyjet hat als transnationale Fluggesellschaft von Land zu Land unterschiedliche Arbeitsverträge abgeschlossen und unterliegt dem jeweiligen Arbeitsrecht. Es ist auch für die Arbeitnehmervertretung schwierig, sich über Landesgrenzen hinweg zu organisieren.  Die Flotte soll um zehn Prozent verkleinert werden. Für das laufende Jahr rechnet Easyjet mit nur 30 Prozent der Flüge im Vergleich zum Vorjahr – frühestens im Jahr 2023 ist mit einem Bedarf wie im Jahr 2019 zu rechnen. In einer internen Umfrage zur Arbeit des Managements drückten 99 Prozent der Mitarbeiter ihr Misstrauen gegenüber dem neuen COO aus. Peter Bellew wechselte Ende 2019 von Konkurrent Ryanair zu Easyjet. Der bekannte «Orange Spirit» scheint, nach internen Aussagen, auf Managementebene verloren zu sein.

Zu Beginn der Pandemie beantragte auch Easyjet recht schnell Kurzarbeit für ihre Angestellten in Deutschland. Die Fluggesellschaft hat die Kurzarbeitsentschädigung freiwillig um zehn Prozent aufgestockt und weitere zehn Prozent als vorübergehendes Darlehen ausgelegt. Anfang Juli wurde bekannt, dass in Berlin langfristig ungefähr die Hälfte der Flugzeuge wegfallen sollen. Dieser Schritt ist nach Aussage des Managements nötig, da die Nachfrage nach der Pandemie insbesondere für Inlandflüge geringer sein wird und viele Strecken ab Berlin nicht mehr rentabel sein werden. Nach Aussage der Gewerkschaft ver.di sollen 734 der 1540 Arbeitsplätze am Standort Berlin gestrichen werden.

Emirates

Auch Emirates hat grosse Teile der Flotte auf den Boden gestellt. Zeitweise waren alle 115 Airbus 380 und 130 von insgesamt rund 150 Boeing 777 gegroundet. Mittlerweile fliegen wieder rund 50 bis 60 B777 und weniger als zehn A380. Dubai und die Vereinigten Arabischen Emirate sind stark von Importen abhängig, insbesondere bei Nahrungsmitteln und Medikamenten. Daher sind die Frachtpreise enorm angestiegen. Aufgrund der grossen Nachfrage wird Fracht in der Kabine transportiert und einige Sitzreihen wurden dafür ausgebaut. Die genauen Zahlen hierzu gibt Emirates nicht bekannt.

Die Kommunikation zwischen der Firma und ihren Angestellten war nicht nur schlecht, sondern nicht existent. Das Management verschickte während der gesamten Krise lediglich im März eine E-Mail an die Belegschaft. Dadurch entstanden eine Menge Gerüchte und Halbwahrheiten. Viele Angestellte machen sich derart grosse Sorgen um ihre berufliche Zukunft, dass einige von ihnen im Minutentakt ihr E-Mail-Postfach kontrollieren.

Es soll bei Emirates bereits um die 1500 Kündigungen bei den Piloten gegeben haben. Von den 1830 A380- Piloten bei Jahresbeginn sollen heute noch rund 700 angestellt sein. An einem einzigen Tag seien 800 Piloten entlassen worden. Offizielle Zahlen veröffentlichte die Fluggesellschaft jedoch nicht. Die Kündigungen wurden per E-Mail mitgeteilt. Zwar konnte man bei Managementpiloten nachfragen, wieso gekündigt wurde, die Auswahl erscheint dennoch willkürlich und unabhängig von der eigenen Leistung oder Seniorität. Gerüchten zu-folge spielten Krankheitstage und Kosten für die Familie, wie Schulzugang oder Gesundheitskosten, eine Rolle. Was jedoch sicher und klar kommuniziert wurde, ist, dass die Entscheidung endgültig und Einspruch nicht möglich ist. Dieses Verhalten ist nur möglich, da in den Vereinigten Arabischen Emiraten Gewerkschaften verboten sind. Die Angestellten sind der Willkür des Arbeitgebers komplett ausgeliefert. In guten Zeiten mit vielen Vergütungen und Extraleistungen, in schlechten Zeiten mit der schnellen Kündigung.

Das Salär wurde für die Monate von April bis September um die Hälfte gekürzt. Da auch Flugentschädigungen wegfallen, ist das ausbezahlte Salär eher bei lediglich 40 Prozent des vertraglich festgelegten Lohns anzusiedeln. Die gekündigten Mitarbeiter erhielten während der 90 Tage Kündigungsfrist das volle Salär.

Die Flight Time Limitations sind in der aktuellen Krise voller Ausnahmen. Teilweise wurden Turnarounds auf der Langstrecke mit acht Piloten geflogen.

Die Zukunftsaussichten bei Emirates sind sehr unsicher. Da auch hier keine Kommunikation seitens des Managements erfolgt, breiten sich ebenfalls Gerüchte aus. Die einzige sichere Aussage der Fluggesellschaft ist, dass in absehbarer Zukunft keine Wiedereinstellungen möglich sein werden. Auch Emirates rechnet mit 24 bis 36 Monaten, bis die Krise grösstenteils überwunden sein wird. Aufgrund des guten Produkts und der geografischen Lage stehen die Chancen nicht schlecht, dass Emirates die Krise vergleichsweise gut überstehen kann. Die soziale Verantwortung des Arbeitgebers spielt beim Ticketkauf selten eine Rolle! Gemäss Medienberichten wirbt Emirates damit, die Kosten für die medizinische Behandlung oder die Beerdigung nach einer COVID19-Erkrankung zu übernehmen, falls die Infektion an Bord eines Emirates-Flugzeugs erfolgte.

Sunexpress Deutschland

Sunexpress bestand seit 1989 als Joint Venture zwischen Lufthansa und Turkish Airlines. Die Fluggesellschaft war auf Ferien- und ethnischen Verkehr spezialisiert. Seit 2011 bestand mit Sunexpress Deutschland die dortige Tochter. Die deutsche Sparte betrieb unter anderem sieben Airbus 330 im Wet Lease auf der Langstrecke für Eurowings sowie zwei Boeing 737, die direkt für die Lufthansa im Europaverkehr unterwegs waren. Der Betrieb der Sunexpress Deutschland wurde eingestellt und den Mitarbeitern auf den 1. September gekündigt. Nach Auffassung der Vereinigung Cockpit trägt die Lufthansa durch ihre Beteiligung an Sunexpress auch soziale Verantwortung für die Belegschaft. Dies vor allem auch, da die Hälfte der Flotte für die Lufthansa-Tochter Eurowings und zwei weitere Maschinen für die Lufthansa direkt geflogen sind.

Ryanair

Mitten in der Corona-Krise fällt Ryanair wieder in altbekannte, mitarbeiterfeindliche Verhaltensmuster zurück. In den vergangenen Jahren wurde in harten Tarifverhandlungen mit der in Deutschland als Piloten-Arbeitgeber fungierenden Tochtergesellschaft Malta Air viel erreicht. Das alles soll jetzt zum Grossteil im Zeichen von Corona und im Schatten der Probleme anderer Airlines über Bord gekippt werden.

Ryanair hat den Sitz der Tochter Lauda Europe von Wien nach Malta verlegt. Alle Airbus-Flugzeuge der Flotte werden in Zukunft mit maltesischer Registrierung im Dienst stehen. Diese neue Fluggesellschaft wird ab dem Winterflugplan 2020 sämtliche Flüge durchführen und die frühere Wiener Laudamotion wird zum Jahresende aufgelöst. Die Basen in Düsseldorf, Palma und Wien sind vom Umzug nicht betroffen. Sie werden auch in Zukunft bestehen bleiben – unter maltesischer Flagge.

In Deutschland stationierte Ryanair-Piloten gaben den Forderungen nach einem Gehaltsverzicht nach. Im Gegenzug will das Management um Michael O’Leary angekündigte Standortschliessungen eventuell aufheben. Die Verhandlungen mit dem Kabinenpersonal laufen noch. Ryanair-Piloten an deutschen Flughäfen erhalten bis 2024 im Schnitt 20 Prozent weniger Gehalt, behalten aber ihre Arbeitsplätze. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit habe den Vorschlag am Ende Juli akzeptiert, sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary. Ryanair hatte zuvor mit der Schliessung der Basen Hahn, Berlin und Weeze gedroht – die Stellen von Rund 170 Piloten der Tochterfirma Malta Air standen auf der Kippe. Nach dem Einlenken der Piloten werde sich Ryanair mit der Standortfrage «noch einmal befassen», sagte O’Leary in einem Interview.

Condor

Condor rechnet wegen der Folgen der Corona-Krise mit einem Stellenabbau. Einen zweiten Anlauf für den Verkauf des staatlich geretteten Ferienfliegers erwartet Airline-Chef Ralf Teckentrup nicht vor Ende 2021. Lufthansa fällt seiner Einschätzung nach als Investor für Condor aus. Condor geht kleiner aus der Luftfahrtkrise hervor. «Ich denke, wir werden, wie die anderen Fluglinien auch, etwa 15 bis 25 Prozent der Stellen abbauen müssen», sagte Ralf Teckentrup in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung». «Das wären bei uns zwischen 650 und 1000 Stellen.»

Grundsätzlich sei Condor im Schutzschirmverfahren, das schon vor der Corona-Krise begonnen habe, erfolgreich restrukturiert worden. Das Verfahren wird dem Chef der Fluggesellschaft zufolge noch bis voraussichtlich Ende September laufen. «So können wir Verträge schneller kündigen, wie etwa für unsere Unternehmenszentrale.» Nach dem Rückzieher des polnischen Investors PGL/LOT bleibt Condor zunächst auf sich gestellt. «In der aktuellen Krise denkt niemand an Übernahmen», sagte Teckentrup. «Ich denke daher, dass wir frühestens Ende nächsten Jahres einen neuen Verkaufsprozess starten werden und frühestens 2022 einen Käufer präsentieren können.»

Wizzair

Der ungarische Low-Cost-Carrier zeigt sich trotz Pandemie optimistisch und ehrgeizig. Nach eigenen Angaben fliegt Wizzair rund zehn Prozent der Flüge, die mit rund 75 Prozent gut ausgelastet sind. Im Gegensatz zu den eigenen Angaben gibt es Berichte, dass Wizz-air auch fast leere Flüge durchführt. Hauptsächlich auch deswegen, um für gebuchte, aber nicht genutzte Tickets keine Erstattung leisten zu müssen. Viele gebuchte Wizzair-Passagiere konnten dem Vernehmen nach ihre Flüge nicht antreten, weil die national weiter geltenden Lockdown-Regeln dies unmöglich machten. Der Chef der Fluggesellschaft Józséf Váradi kritisiert die Reisebeschränkungen massiv. Er fordert ein Aufheben der Beschränkungen, um die Freiheit seiner Kunden zu schützen. Anfang August erhielt ein Flugzeug von Wizzair in Athen keine Landeerlaubnis. Die Fluggesellschaft hatte die Einreisebestimmungen nicht befolgt und ihre Passagiere nicht wie gefordert vorab kontrolliert. Trotz Ermahnung durch die griechischen Behörden, wurde dies nicht nachgeholt. Griechenland zeigte sich mit Entzug der Landeerlaubnis konsequent in der Umsetzung der Vorschriften. Es stellt sich also die Frage, ob Wizzair tatsächlich so sehr um ihre Passagiere und nicht viel mehr um das eigene Portemonnaie bemüht ist.

Im Jahr 2019 hat Wizzair 345 Millionen Euro Gewinn gemacht. Trotz der Corona-Krise hält Wizzair an ihren Wachstumsplänen fest und will 2020 neun neue Flugzeuge in Betrieb nehmen und so die Kapazität um neun Prozent erhöhen. Gleich achte neue Strecken wurden kürzlich in Betrieb genommen. Die Basis in London Gatwick soll ebenfalls ausgebaut werden. Der dortige Wegfall von Virgin Atlantic und British Airways, die sich beide auf London Heathrow beschränken werden, machen am Flughafen im Süden von London Platz frei. Die Fluggesellschaft bietet seit Juni von seinem neuen Hub in Abu Dhabi Flüge nach Osteuropa an. Wizzair hat ausserdem 20 A321XLR (Xtra Long Range) bestellt. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn bald Langstreckenflüge angeboten würden. Die Expansionspläne betreffen auch den deutschsprachigen Raum. In Dortmund hat Wizzair mitten in der Corona-Pandemie eine neue Basis eröffnet und drei A320 stationiert. Es werden hauptsächlich Urlaubsziele im Mittelmeerraum angeflogen. Wizzair forderte vom Flughafen Dortmund eine Verlängerung der Landebahn, um auch mit A321neo von Dortmund aus zu operieren. Der Flughafen hat den Umbau gerade beantragt.

Wie sind solche hochtrabenden Pläne mit einer Krise vereinbar? Man spart einfach anderenorts, namentlich bei den Mitarbeitern. Bereits bis Juni hat man sich von 1000 Mitarbeitern getrennt. Sie können sich nach Váradi Hoffnungen auf eine Wiedereinstellung machen. Generell hat man gegenüber den eigenen Mitarbeitern bei Wizzair eine interessante Einstellung. So sagte der CEO gegenüber «aerotelegraph.com»: «Gewerkschaften zerstören das Geschäft. Das ist auch eines der Probleme bei Lufthansa. Wenn die Gewerkschaften versuchen, uns zu erwischen, dann schliessen wir einfach die Basis und ziehen weiter. Das ist das Schöne bei einer Airline, die so flexibel ist wie unsere: Wir können einfach unsere Flugzeuge zu einem anderen Flughafen verlegen.»

Gemeinsam durch den Sturm

In der aktuellen, weltweiten Krise wird deutlich, dass eine funktionierende Arbeitnehmervertretung für die Angestellten existenziell wichtig ist. In Ländern und bei Fluggesellschaften, die keine Arbeitnehmervertretung haben, sind die Mitarbeiter vor willkürlichen Kündigungen oder direkt beschlossenen Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen nicht geschützt. Bei uns in der Schweiz hat Helvetic Airways noch vor Beantragung der Kurzarbeit einige Piloten entlassen. Es zeigt sich aber auch, dass einzig das Vorhandensein einer Arbeitnehmervertretung nicht ausreichend ist. Entscheidend ist, ob das Verhältnis zwischen Arbeitnehmervertretung und Arbeitgeber sozialpartnerschaftlich ist. Nur gemeinsam lassen sich Wege finden, die Krise bestmöglich zu bewältigen. Auch am Ende der Krise müssen noch genügend motivierte und qualifizierte Mitarbeiter an Bord sein. Gleichzeitig muss die Fluggesellschaft aber noch existieren und idealerweise wettbewerbsfähig sein.

Es ist aber genauso wichtig, dass die Mitglieder ihren gewählten Arbeitnehmervertretern vertrauen und sie unterstützen. Für aussenstehende Verbandsmitglieder sind die ganzen Hintergründe und Pläne nicht immer klar ersichtlich. Hier ist es dann wichtig, den Entscheidungsträgern des Verbandes zu vertrauen.

Die Kostenstruktur der Verträge bei der SWISS und der Edelweiss waren bereits vor der Krise günstig aufgestellt. Das ist eine gute Voraussetzung, erfolgreich durch diese Krise zu kommen. Bei möglichen Spar- und Restrukturierungsmassnahmen ist es auch wichtig, das langfristige Wohl der Mitarbeiter im Blick zu haben – so wie es die AEROPERS in ihrer Strategie vorsieht!


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